Vortrag am Symposium « Palliativ ohne Grenzen », Meran
Themenschwerpunkt « Würde bis zuletzt »
30.5.2014
Dr Robert Thill-Heusbourg, Hôpital Saint Louis
Centre Hospitalier du Nord, Ettelbruck
„Der Abschied von Grenzen und Ritualen“
– Euthanasie und die Suche nach der Achtsamkeit des Lebens
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ich werde den Gedankenraum dieses Vortrags in einem Dreischritt mit ihnen begehen. Im ersten Gedankenraum begegnen wir dem Begriff der Grenzen , im zweiten Gedankenraum begegnen wir dem Begriff der Rituale. Den dritten Gedankenraum habe ich in vier kleinere Räume unterteilt : Achtsamkeit, Askese des Raumes, Askese der Zeit, Langsamkeit.
Ein alter Hofrat, den ich vor mehr als 30 Jahren in Graz kennen lernen durfte, pflegte seinen Vorträgen immer eine Art kurzes Ritual einer « Bitte um Nachsicht », einer « captatio benevolentiae » mit den Worten voranzustellen : « Unvorbereitet wie ich mich habe » und ich habe dieses Ritual später bei meinen eigenen Vorträgen übernommen. Heute ist es zum erstenmal, wo ich mich von diesem Ritual bewusst und in Anlehnung an mein Thema verabschiede und versuche, die Grenze zu Ihnen sozusagen wehrlos zu überschreiten.
Erster Gedankenraum : Grenzen
Ein paar kurze Bemerkungen zu Grenzen und zur Bedeutung von Grenzüberschreitungen vorab:
Als wir 2003 in Ettelbruck unser Klinikum neu bauten, hatten die Architekten die Idee, die Palliativstation nicht nur nicht im allgemeinen Bettenflügel, sondern im ruhigeren zentralen Verwaltungsturm unterzubringen, andererseits aber auch nach aussen eine Grenze zu überschreiten, indem sie die Zimmer einfach einen Meter über die Fassade hinauswachsen ließen : zeichenhaft für das Mehr an Engagement, Zeit und Raum, was die Palliativmedizin von uns einfordert.
Im Wappen Karls V. symbolisieren die Säulen des Herakles noch die Grenzen der alten Welt, das “Non plus ultra”, das “Hier geht es nicht mehr weiter”, konkret bei den Phöniziern die Meerenge von Gibraltar, aber Karl V. hatte diese Säulen dann nach seinem Vorstoss nach Amerika mit einem neuen Spruchband mit seinem nun modifizierten Wahlspruch “plus ultra”, also “darüber hinaus”, “immer weiter”, versehen. Dieses “Plus ultra” ist nun auch zur Devise unserer globalisierten Welt geworden und dient quasi als Auftrag, alle bestehenden Grenzen, und natürlich besonders in den Geistes-und Naturwissenschaften, aber auch im religiösen, ethischen und moralischen Geistesraum in Frage zu stellen.
In dem schönen Buch “Der Wahlkampf der Tiere” steht im Bericht über den Wahlkampf des Fuchses der Satz: “Der Fuchs war für Länder ohne Grenzen. Dabei zwinkerte er besonders den Gänsen zu.
Auch die 2008 veröffentlichte grosse Allensbach-Umfrage zum Thema Sterbehilfe in Deutschland unterschied sich in ihrer demagogischen Fragestellung nicht von den bei uns in Luxemburg durchgeführten. Mit Fragen im Stil von: “Wollen Sie, dass Menschen, die vor ihrem Tod schreckliche Schmerzen erleiden müssen, durch eine Spritze zum Sterben geholfen werden kann?” erschafft man sich die vorher gewünschte Zustimmung. Dass die Möglichkeiten der Palliativmedizin hier nicht einmal mehr erwähnt
werden, zeigt nur, dass es sich im Kopf der Fragesteller eigentlich schon nicht mehr um einen medizinischen, sondern nur mehr um einen ideologischen Zusammenhang handelt.
Es geht der Mehrzahl unserer Politiker und Euthanasie-Befürworter leider nicht um Palliativmedizin o d e r Euthanasie, wie wir (allzu) lange geglaubt haben, sondern um Palliativmedizin u n d Euthanasie, als zwei philosophisch und technisch völlig voneinander getrennte „Optionen“, wie ein jeder seinen Lebensweg „frei und würdig“ beeenden könne. Diese Worte deshalb hier noch in Anführungszeichen, da ein wirklich autonomer Mensch die Gestaltung seines Todes eigentlich ohne die Abhängigkeit von der Bestätigung eines Ärztekollegiums planen könnte.
Die Diskussionen jener Jahre und insbesonders die letzten Änderungsanträge der Luxemburger Gesetzesvorschlagsautoren haben hingegen klar gezeigt, dass eine Trennung im sachlichen und sprachlichen Bereich notwendig sein wird. Wir haben irrtümlich geglaubt, dass wir nur bessere Ärzte werden müssten, um die Menschen besser im Sterben begleiten zu können und somit den Wunsch nach Euthanasie überflüssig zu machen. Wir haben (vergeblich) versucht, den Befürwortern der Euthanasie die Abläufe im medizinischen Qualitätsmanagement nahezubringen, um sie davon zu überzeugen, dass erst eine korrekte Evaluierung der jetzigen Sterbekultur die Voraussetzungen und Grundlagen schaffen könnte, mit denen man die Euthanasie-Diskussion im richtigen Rahmen führen könnte.
Paul Tillich hat gesagt, dass die Grenze der eigentlich fruchtbare Ort der Erkenntnis sei. Wir haben durch diese Grenzüberschreitungen etwas Wichtiges gelernt, aber wir haben einfach aneinander vorbei geredet. Wenn wir auch zuletzt über die irreführende und manipulierende Fragestellung der Allensbacher Umfrage empört waren und uns fragten, wieso denn auch diese Fragesteller das (korrekte) Junktim mit der Palliativmedizin unterliessen, so zeigte es diese Erhebung von 2008 ganz klar, dass dieses Junktim gar nicht vergessen oder gar unterschlagen wurde, sondern für die Fragesteller im jetzigen gesellschaftspolitischen Kontext einfach nicht mehr gegeben war.
Das TransMIT-Projektbereich für Versorgungsforschung und Beratung in Gießen hat im Zeitraum 2012 bis 2013 eine empirische Studie zu den psychosozialen und medizinisch-pflegerischen Bedingungen der Sterbebetreuung in deutschen Krankenhäusern durchgeführt. Mehr als 1 400 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (darunter 269 Ärzte und Ärztinnen) wurden in 212 strukturiert ausgewählten Krankenhäusern aller 16 Bundesländer Deutschlands befragt. 19 Prozent aller Befragten gaben an, über eine gute, beziehungsweise sehr gute Ausbildung zu verfügen, doppelt so groß (38 Prozent) ist der Anteil derer, die diese als mangelhaft beschreiben. Dabei ist die Situation bei den Ärzten und Ärztinnen noch unbefriedigender: Keiner der Befragten gab an, über eine gute oder sehr gute Ausbildung zu verfügen.
Es stellt sich hier die nicht sarkastisch gemeinte Frage, ob die Gesellschaft im Rahmen der nun bestehenden Euthanasie-Gesetze die für die Sterbebegleitung nachweislich ungenügend ausgebildeten Ärzte noch einer Sonderausbildung im Töten unterziehen sollte oder ob gerade diese schlechte Ausbildung nicht die beste Voraussetzung für die Durchführung der Euthanasie darstellt. Die Gefahr, dass sich auch schlecht ausgebildete Ärzte weniger Fragen stellen als sie sollten, ist groß und unterscheidet sich nur in den möglichen Konsequenzen, nicht aber im Grundsätzlichen von der Situation anderer Berufsgruppen.
Der Abschied von Grenzen meint sicher einerseits Gutes und Erstrebenswertes: vor allem künstliche oder gewachsene Grenzen, die den Austausch und die Kommunikation zwischen Menschen erschweren oder behindern; auch diese Veranstaltungsreihe steht unter der positiven Vorgabe dieser Überwindung von räumlichen Grenzen. Wenn wir aber sagen “Palliativ ohne Grenzen” müssen wir genau sagen, was wir meinen, denn es könnte auch anderes heißen: dass wir nämlich auch dort Grenzen überschreiten, wo es aus vielen guten Gründen eigentlich geboten wäre, sie nicht nur zu respektieren, sondern auch einzuhalten. Die Spaltung der Palliativmedizinischen Bewegung in Belgien in einerseits Euthanasie klar befürwortende und andererseits sich von Euthanasie klar abgrenzenden Medizinischen Gesellschaften sei hier von mir als nur ein sehr konkretes Beispiel warnend angeführt.
Daß der bekannte belgische Euthanasie-und (!) Palliativ-Mediziner Dr. Dominique Lossignol sich in einem 2008 erschienen Artikel in einer Fachzeitschrift der Freien Universität Brüssel stolz und erfreut darüber äussert, dass neben der Beschreibung der Kunst des Heilens nun auch die der Kunst des guten Tötens Eingang in den Codex der Berufspflichten der belgischen Ärzte gefunden habe, ist eigentlich nur ein weiteres trauriges Beispiel dafür, wie der ärztliche Berufsstand, der über Jahrtausende als Garant für Solidarität und Fürsorge beispielgebend war, nun im 21. Jahrhundert im Namen der Ideologie und des Zeitgeistes seine eigene Identität preisgibt und damit den allgemeinen Werteverfall weiter fördert. Der Tötungsakt wird hier erstmalig im Lauf der Geschichte als medizinische Handlung bezeichnet.
Zweiter Gedankenraum: Rituale
Rituale sind nach einer der vielen Definitionen eine nach einer Regel ablaufende Handlung, welche nicht nur einen Zweck verfolgt, sondern zugleich einen Sinn tragen soll. In Analogie zum Sakrament sind sie auch Zeichen, welche bewirken, was sie bezeichnen; Erhard Weiher sagt in seinem Buch zur “Grammatik der Spiritualität”, dass Rituale auf symbolische Weise etwas Bedeutungsvolles “sagen”, indem sie es “tun”. Da Rituale also eine Verwandlung bewirken sollen und können, sind sie wirkmächtige Zeichen mit Konsequenzen im intra-und interindividuellen Bereich und sie können also, wenn wir uns auf unser unser Thema beziehen, sowohl intrinsische als auch extrinsische Menschenbilder prägen bzw verändern.
Rituale können also durch ihre verwandelnde Kraft sowohl Gutes als auch Schlechtes bewirken, und die Wirkungen beschränken sich dabei nicht immer auf den ursprünglichen Zusammenhang. Ich möchte ihnen hierzu ein Beispiel erzählen aus Frankreich zum Thema Beeinflussung eines intrinsischen und extrinsischen Menschenbildes durch eine Diskussion zum Thema Rituale bei Totgeburten, welches später die Euthanasie-Debatte von 2008 in Luxemburg entscheidend geprägt hat. Die Vizepräsidentin der französischen Abtreibungszentren (ANCIC), Mme Chantal Birman, hatte kurz vorher das Urteil des französischen Kassationsgerichtshofes, nachdem in Zukunft ein totgeborener Foetus ohne Rücksicht auf Alter oder Gewicht als Rechtsperson zu betrachten sei und dem Standesamt gemeldet werden könne, als „extrem gefährlich“ bezeichnet, da es die Frauen daran erinnere, dass es sich beim Foetus um ein menschliches Wesen handle. Im Original-Ton (zitiert nach Le Parisien): „Les femmes ne peuvent pas vivre avec de tels cimetières dans la tête.“ (Die Frauen können nicht mit solchen Friedhöfen in ihren Köpfen leben.) Ich habe 2008 dann im Anschluss an die Annahme des Euthanasiegesetzes in erster Lesung durch das Luxemburger Parlament im Februar 2008 in einem politischen Artikel über dieses Beispiel berichtet und den Artikel mit der Überschrift versehen : « Friedhöfe nicht nur in unseren Köpfen. » Es war dies am Anfang einer grossen Bürgerinitiative gegen dieses Gesetz.
In seinem Editorial zur Juni-Ausgabe 2001 der Zeitschrift “Denken und Glauben” zum Thema “Rituale” schrieb der Grazer Hochschulseelsorger Edmund Muhrer:
Peter Handke hat (…) nicht von ungefähr die Schauspieler seiner « Hilferufe » angehalten, zuerst einmal die Litaneien in den katholischen kirchen anzuhören. Handke war es auch, der den hintergründigen Hinweis gegeben hat, dass die Wiederholung im Sinne von « wieder holen » zu verstehen sei. Rituale können daher im Glauben wie im Leben eine Hilfe sein, Dinge wieder zurückzuholen, die uns abhanden gekommen sind. »
Im « Kleinen Prinzen » von Antoine de Saint Exupéry heisst es im Gespräch zwischen dem zähmungsbedürftigen Fuchs und dem wissensbegierigem kleinen Prinzen:
“Es wäre besser gewesen, du wärst zur selben Stunde wiedergekommen”, sagte der Fuchs. “Wenn du zum Beispiel um vier Uhr nachmittags kommst, kann ich um drei Uhr anfangen, glücklich zu sein. Je mehr die Zeit vergeht, um so glücklicher werde ich mich fühlen. Um vier Uhr werde ich mich schon aufregen und beunruhigen; ich werde erfahre, wie teuer das Glück ist. Wenn du aber irgendwann kommst, kann ich nie wissen, wann mein Herz da sein soll … Es muß feste Bräuche geben.”
“Was heißt ,fester Brauch?’”, sagte der kleine Prinz
“Auch etwas in Vergessenheit Geratenes“, sagte der Fuchs. “Es ist das, was einen Tag vom andern unterscheidet, eine Stunde von den andern Stunden. Es gibt zum Beispiel einen Brauch bei meinen Jägern. Sie tanzen am Donnerstag mit dem Mädchen des Dorfes. Daher ist der Donnerstag der wunderbare Tag. Ich gehe bis zum Weinberg spazieren. Wenn die Jäger irgendwann einmal zum Tanze gingen, wären die Tage alle gleich und ich hätte niemals Ferien.”
(…)
In den Erzählungem der Chassidim erzählt uns Martin Buber folgende Geschichte:
„In Ropschitz, Rabbi Naftalis Stadt, pflegten die Reichen, deren Häuser einsam oder am Ende des Ortes lagen, Leute einzustellen, die nachts über ihren Besitz wachen sollten. Als Rabbi Naftali sich eines Abends spät am Rande des Waldes erging, der die Stadt säumte, begegnete er solch einem auf und nieder wandelnden Wächter. – Für wen gehst du? fragte er ihn. Der gab Bescheid, fügte aber die Gegenfrage daran: Und für wen geht Ihr, Rabbi? Das Wort traf den Rabbi wie ein Pfeil. – Noch gehe ich für niemand, brachte er mühsam hervor, dann schritt er lange schweigend neben dem Mann auf und nieder. – Willst du mein Diener werden? – fragte er endlich. – Das will ich gerne, antwortete jener, aber was habe ich zu tun? – Mich zu erinnern, sagte Rabbi Naftali.”
–
Paul Daselaers, ehemaliger Spiritual am Priesterseminar in Münster schreibt dazu in einem Kommentar: „Der Rabbi will den Wächter, der so klar seinem Dienst nachgeht, für sich gewinnen. Er möchte von ihm „erinnert“ werden. „Erinnern“ ist lebensnotwendig. In der englischen Sprache heißt das Wort „to remember“ und lässt sich tiefsinnig verstehen: Wieder zugehörig werden, sich wieder zu einem Mitglied (member) machen. Erinnern hat mit einer Beziehungsaufnahme zu tun. „Für wen gehst du?“ – In der Antwort auf diese Frage gilt das gelebte Wort.“
Ich habe allen meinen sieben Kindern den Zweitnamen Maria gegeben, um sie einerseits zu erinnern an die Umwertung der Werte von stark und schwach, reich und arm im Magnifikat und andererseits daran, dass die Aufmerksamkeit das Wesen des Gebets und der Gastfreundschaft ist.
Als meine 12 und 14 Jahre alten Söhne dieses Jahr gemeinsam mit ihren Ministrantenkollegen am Karsamstagmorgen in den Strassen unserer Stadt mit ihren Holzratschen anstelle der verstummten Kirchenglocken zum Angelusgebet aufriefen, fragte sie ein zufällig vorbeikommender Schulkollege aus dem Gymnasium neugierig und gar nicht ironisch, wofür sie denn streikten…
In einem Interview von 2012 wurde Peter Handke gefragt, was denn für ihn Europa sei. Er antwortete:
Handke: Es ist schade, dass wir das geheimnisvolle Europa nicht mehr haben. Vor lauter offenen Grenzen gibt es keine Schwellen mehr. Es gibt kein Abenteuer mehr des anderen Landes.
Der Journalist fragte nach :
Wieso wünschen Sie die Grenzen zurück?
Darauf wieder
Handke:Alles ist so achtlos. Weil es keinen Widerstand mehr beim Überschreiten von Schwellen gibt, kommt eine grosse Achtlosigkeit zustande. Es muss aber einen Schwierigkeitsgrad geben für das Hinkommen, und wenn es nur die Sprachen sind oder das Alphabet, das Kyrillische zum Beispiel.”
Peter Handke, den ich in diesem Zusammenhang noch mehrmals zitieren werde, schrieb 1985 in der Geschichte des Bleistifts :
“Ich erhielt die Nachricht vom Tod eines lieben Menschen und wollte an ihn denken, aber es gelang mir nicht. So verstand ich, dass es eine Zeremonie für ihn geben sollte, die Totenmesse: in dieser Zeremonie würde das Denken dann möglich sein, und ich würde daran teilnehmen.”
Ich lese Ihnen nun ein paar Zeilen vor aus dem Briefwechsel von zwei mir sehr nahestehenden Tirolern ; eine nach Luxemburg ausgewanderte Ost-Tirolerin schreibt an einen mit ihr befreundeten Bergbauern in Ost-Tirol anlässlich des Todes seiner Mutter :
« Mein herzlichstes Beileid zum Tod Deiner Mutter, Schwiegermutter, Eurer Grossmutter.
Ich hoffe sehr, dass mich mein Gefühl nicht trügt, dass es schön war, sie bis zum Schluss bei Euch zu haben.
Ich habe das daraus geschlossen, dass Ihr sie vom Hof zur Pfarrkirche gebracht habt, den Seelenrosenkranz bei Euch gebetet habt und sie so vielleicht die drei Tage bei Euch aufgebahrt hattet.
So schwer es ist, Abschied zu nehmen, so schön ist es, wenn man es gebührend machen kann.
Obwohl ich nicht oft bei Euch bin und sie noch seltener getroffen habe, gehört ihr weisser Lockenkopf, wie auch das Bild Deines Vaters für mich untrennbar zu Eurem Hof.
Kaum vorstellbar, dass Ihr da jetzt ganz alleine lebt.
Danke fürs an uns Denken.
Habt Euch alle wohl. Ich wünsche Euch die nötige Ruhe, den Veränderungen und damit verbundenen Fragen, auch von Seiten der Kinder, Zeit und Raum zu geben.
Und die Antwort des Bergbauern :
Hab ganz herzlichen Dank für Deine so einfühlsamen Zeilen, die uns tief ins Herz bewegten. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, Du hast alles auf den Punkt gebracht. Wir vermissen Mutter sehr, auch wenn sie schon 90 Jahre alt war. Sie war schon so was ähnliches, wie das fünfte Kind, alles haben wir zusammen gefeiert, die Kinder gingen nie zu Bett, ohne sie zu umarmen, das Zusammenleben war völlig konfliktfrei, ja einfach wunderbar. Für sie wäre es nicht auszuhalten gewesen, ein Pflegefall zu sein, daher hat sie sich entschlossen, sich das Bein nicht abnehmen zu lassen, lieber zu sterben, was sie dann auch in einer Woche durchgezogen hat.
Das Begräbnis war beeindruckend, das Aufbahren daheim, das Beten im Haus, mit vielen Menschen, die sich, trotz eisigen Wegverhältnissen, nicht scheuten, herauf zu gehen. Der lange Trauerzug angeführt von einem Pferdefuhrwerk, das den Sarg zog. Leider ist diese Art abgekommen, wir konnten sie mit dem Begräbnis von Vater vor vier Jahren etwas wiederbeleben, vielleicht war’s auch dieses Mal für die Einen oder Anderen von nachhaltiger Wirkung. »
Dieses Gespräch klingt wie aus einer ganz anderen Zeit, die Achtsamkeit für Leben und Tod, für Grenzen und Rituale, für Erinnerung und Dank. Im Französischen benennt das Verb « reconnaître » sowohl Erkennen, An-Erkennen als auch Danken ; das heisst im Erkennen und An-Erkennen liegen der Grund, die Haltung und die Handlung des Dankens zusammen. Bischof Egon Kapellari sprach vom Danken immer als von der höchsten Form des Denkens.
Rituale symbolisieren, gestalten und ermöglichen Wandlung und Veränderung. Früher -und immer seltener noch heutzutage- gestalteten Rituale den Umgang mit dem Sterben und mit dem Sterbenden, mit dem Tod und mit dem Toten, das Überschreiten der Todes-Schwelle selbst aber war ein höchst persönlicher, nicht ritualisierter Akt.
Im Euthanasie-Konzept ist es genau umgekehrt: hier wird das Sterben selbst in dreifach variiertem Angebot quasi rituell vollzogen: Im Akt des Sich-Selbst-Tötens, im Akt des unterstützten Sich –Selbst-Tötens und zuletzt im Akt des Tötens durch die Hand der ärztlichen und/oder pflegerischen Vollstrecker als wirkmächtiges Ritual der Verwandlung des Lebens in den Tod. Die Gestaltung der Rituale im Umgang mit dem Sterben und dem Sterbenden tritt hier in den Hintergrund.
Als ich 1979 als junger Medizinstudent in Graz den späteren Bischof von Gurk- Klagenfurt und noch späteren Bischof von Graz-Seckau, Dr Egon Kapellari, dem ich mich bis heute eng verbunden fühle, kennen lernte, erzählte er mir sehr bald von einem merkwürdigen Kirchenfenster im Chor der Stadtpfarrkirche zum Hl. Blut in Graz. Es zeigte die Geißelung Christi und rechts oben im Eck –wo sonst?- Hitler und Mussolini, welche sich an der Folterung spottend beteiligten. Bischof Kapellari hat in dieser Darstellung eine allerletzte Verurteilung zur ewigen Höllenstrafe dieser beiden Männer gesehen und er hat uns stets kritisch ermahnt, daß dies kein christlicher Gedanke sei und daß diese Verurteilung keinem Menschen zustehe, was auch immer diese Menschen an Grausamkeiten während ihres irdischen Lebens verübt haben. Er wollte damit die Möglichkeit einer allerletzten Entscheidung zur Umkehr oder zur Fortführung des eingeschlagenen Weges andeuten, nicht nur in einer letzten Reue vor dem Tod, sondern auch noch, in der Unergründlichkeit der göttlichen Liebe, auch noch nach dem Tod.
Bischof Kapellari stellte diese Frage in den größeren Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung: „Kann aber ein Mensch wirklich so radikal Nein sagen, daß er vom größeren Ja Gottes zu ihm nicht am Ende doch noch eingeholt wird? (…) Und seine Schlussfolgerung war: „ Man kann nicht sehen, wie ohne Möglichkeit, das endgültige Ziel zu verfehlen, menschliche Freiheit und Verantwortung möglich sind.“
Rituale begleiten uns durch unser ganzes Leben und sie markieren öfters wichtige Grenzen und Wendepunkte. Einen solches allerletztes Ritual am allerletzten Wendepunkt gibt es in der christlichen Tradition auch nach dem Tod und ich spreche hier von dem so oft geschmähten und falsch verstandenen Begriff des Fegefeuers. Cicely Saunders sprach davon, dass das Konzept des christlichen Fegefeuers für sie den tröstlichen Gedanken trage, auch als Fragment in den Tod gehen zu dürfen, also auch ein Wieder-Holungs-Ritual, in dem wir ein letztes Mal unser Leben noch einmal in einem erneuerten Blick anschauen und uns dazu in einen wertenden, uns ein letztes Mal vervollkommnenden Bezug setzen dürfen. Das sakramentale Ritual der Krankensalbung gilt in dieser Perspektive somit nur als vorletzte Möglichkeit der Vorbereitung auf den Umgang mit Krankheit, Sterben und Tod.
Ein schönes Beispiel, wie Spiritualität und der Umgang mit den letzten Fragen auch ganz un-konfessionell von katholischen Priestern im Gespräch mit Menschen, die den Kirchen fernstehen, vorgelebt werden kann, erlebte ich 1982 in der Katholischen Hochschulgemeinde in Graz.
Es war ein kleiner Kreis von Studenten, welche vom damaligen Hochschul-Seelsorger und jetzigen Bischof von Graz-Seckau, Dr. Egon Kapellari, zusammen mit Karl Rahner zum Abendessen eingeladen worden waren, so wie es seine Gewohnheit war, wenn Pater Rahner anlässlich eines Vortrags bei uns in der Hochschulgemeinde zu Gast war.
Dr. Kapellari war immer besorgt, ob wir Studenten diese « historischen » Augenblicke wohl richtig zu schätzen und würdigen wüssten und er pflegte dies am intellektuellen bzw spirituellen Niveau der Fragen zu beurteilen, welche von uns an den hohen Gast gestellt wurden. An jenem Abend war es also Hans-Albrecht Christern, mein Vorgänger im Amt des Primus der katholischen Hochschuljugend Graz und begeisterter Fussballspieler, welcher den Hochschulseelsorger, nicht aber Pater Rahner, mit der Frage schockierte: „Können wir im Himmel noch Fußball spielen ?“ Und Karl Rahner hat, neben einem erblassten Dr. Kapellari, geschmunzelt und so lieb und bescheiden gesagt, wie er immer war : “Wenn Sie dann noch Lust dazu haben, sicherlich.“
Wir waren alle beeindruckt von der Weisheit des eben Gehörten und ich habe mir diesen Satz sofort in mein Tagebuch notiert . Karl Rahner hat uns dann verlassen, Dr. Kapellari ist zum Bischof von Gurk-Klagenfurt ernannt worden und ich habe eineinhalb Jahre später als zuständiger Redakteur unserer Zeitschrift « Denken&Glauben » diesen Satz, welcher für mich bis heute für mein Verständnis von «Himmel » zentral ist, als Titel unserer Erinnerungsausgabe an Karl Rahner ausgewählt.
Dritter Gedankenraum:
Achtsamkeit
Askese des Raums
Askese der Zeit
Langsamkeit
Ludwig Wittgenstein hat gesagt : « Der Gruss unter Philosophen sollte sein: « Laß dir Zeit» und Marguerite Yourcenar zitiert in den « Erinnerungen Kaiser Hadrians » dessen Bemerkung im Abschiedsbrief an Marc Aurel :
“Cette plaignante avait raison, que je refusais un jour d ‘ écouter jusqu’ au bout, et qui s’ écria que si le temps me manquais pour l ‘ entendre, le temps me manquait pour régner.”
(“Jene Klägerin, der ich vor langer Zeit nicht mehr bis zum Schluss zuhören wollte , hatte recht, als sie mir daraufhin in einem empörten Aufschrei entgegnete, daß, wenn ich mir nicht die Zeit nehmen könne, sie zu Ende anzuhören, mir auch die Zeit fehlen würde, um zu herrschen.”)
Erhard Weiher stellt an den Anfang seines Buches über die Grammatik der Spiritualität flogende chassidische Erzählung :
“Ein junger Mann kommt zu einem Rabbi und fragt: “Was kann ich tun, um die Welt zu retten?” Der Rabbi antwortet: “Soviel wie du tun kannst, dass morgens die Sonne aufgeht.” “Aber was sollen dann alle meine alle meine Gebete und meine guten Werke?” fragt der junge Mann. Darauf der Rabbi: “Sie helfen dir wach zu sein, wenn die Sonne aufgeht.”
Ich habe hier, als ich mich auf die diesjährigen Gespräche in Meran vorbereitet habe, auch an den Spruch gedacht, den ich vor Jahren als Teilnehmer eines grossen schlafmedizinischen Kongresses in Regenburg gelesen hatte : « Diese Stadt war schon wach, als New York noch eine Wiese war »
1980, ich hatte gerade mein Medizinstudium in Graz begonnen, nahm ich als Zuhörer erstmalig am Ingeborg -Bachmann-Preis in Klagenfurt teil und hörte im Rahmen dieses Lesemarathons zum ersten Mal den Text, mit dem der vor mir sitzende junge deutsche Schriftsteller Sten Nadolny den Preis gewinnen sollte: “Kopenhagen 1801”, einen Auszug aus seinem später berühmten Entwicklungsroman “Die Entdeckung der Langsamkeit”, in dem er die Biographie des englischen Seefahrers und Nordpolforschers John Frankling so umschreibt, dass dieser Lebenslauf zu einer subtilen Studie über die Zeit wird und die Langsamkeit zu der Kunst, dem Rhythmus des Lebens Sinn zu verleihen bzw den Sinn des Lebens anders zu erspüren: aus der Perspektive der Langsamkeit verändert sich die Welt.
“Grabsteine konnten auch sehen. Sie nahmen Bewegungen wahr, die für menschliche Augen zu allmählich waren: den Tanz der Wolken bei Windstille, das Herumschwenken des Turmschattens von West nach Ost, die Kopfbewegungen der Blumen nach der Sonne hin, sogar den Graswuchs.” (SP, 1987, S.12
Und er lässt John Frankling sagen : ”Ich nehme mir Zeit, bevor ich einen Fehler mache” (SP, 1987, S.199) und, etwas später in einem Gespräch mit seiner kleinen Tochter, welche ihn gefragt hatte, woran man denn erkenne, ob jemand ein Bösewicht sei: “ EIn Bösewicht”, sagte John,” kennt seine richtige Geschwindigkeit nicht. Er ist bei den falschen Gelegenheiten zu langsam und bei den anderen zu schnell, wo es auch verkehrt ist.”(…) Er tut zu langsam das, was andere von ihm wollen, zum Beispiel gehorchen oder helfen. Aber er versucht viel zu schnell das zu kriegen, was er von anderen will (…) (SP, 1987, S.307)
In der Diaspora-Situation der christlichen Hochschulseelsorge in Wien zitiert die Journalistin des Wiener Standard vor kurzem den Wiener Studentenseelsorger Helmut Schüller mit dem Satz, dass sein wichtigstes Arbeitsinstrument daraus bestehe, in langsamem Schritt über den Campus zu gehen.
“Ich brauche keine Einfälle: was mir einfallen muss, sind allein die richtigen Verknüpfungen”, schreibt Handke in der Geschichte des Bleistifts und Bert Brecht, den ich hier als völlig unverdächtigen Zeugen anführen möchte, schreibt –wohl ironisch- in seinem 1. Psalm: “Der warme Wind kümmert sich noch um die Zusammenhänge, der Katholik.”
Würde Jesus heute Zeitung lesen statt zu beten? In der Furche vom 5.4.2012 erinnerte uns Rudolf Mitlöhner in seinem Leitartikel an diese provokante Frage der evangelischen Theologin Dorothee Sölle (1929–2003) vor bald fünfzig Jahren. Gebet sei – wie Zeitung lesen– so etwas wie eine Vergewisserung über den Gesamtzusammenhang, schrieb Sölle. Sie meinte damit wohl, so interpretierte es Mitlöhner, ein Sich-Sammeln und –Öffnen für das Ganze der Wirklichkeit.
Dorothee Sölle spricht in ihrem Buch „Den Rhythmus des Lebens spüren“ von der religiösen Grunderfahrung, dass die Rituale des Tischgebets und des Segnens daran erinnern, dass die Nahrung geschenkt ist und dass dies ein Symbol dafür sei, dass das Leben geschenkt und nicht selbstverständlich ist.
Zitat: „Und das zu vergessen, das zerstört das Leben. In diesem Sinn areligiös zu sein – und das ist die Mehrzahl der Menschen in unser Kultur – ist katastrophal. Das ist nicht, dass ihnen nur eine Dimension fehlt, sondern ihnen fehlt die Ehrfurcht vor dem Leben, ein Verständnis von der Bedrohtheit des Lebens, ein Verständnis – um ein sehr grosses Wort zu gebrauchen – von der Heiligkeit des Lebens. Und ich glaube nicht, dass man wirklich menschlich leben kann, ohne etwas davon zu wissen.“
David Steindl-Rast, Benediktiner und Zen-Meister, welcher sein Leben dem Dialog zwischen buddhistischen und christlichen Achtsamkeitstraditionen gewidmet hat, beschreibt in seinem Buch “Die Achtsamkeit des Herzens” zwei grundlegende Askesen( Übungen) :
“Die Askese des Raumes fordert die Loslösung in Bezug auf den Ort, wo immer wir auch seien. Ihr Ziel ist es, da wirklich gegenwärtig zu sein, wo wir gerade sind.(…) Gegenwärtig zu sein, bedeutet, zur Wirklichkeit des Ortes aufzuwachen. Wie Moses vor dem brennenden Dornbusch.” Ziehe deine Schuhe aus! Du stehst auf heiligem Boden.” Die Schuhe ausziehen – das ist die Askese des Raumes.(…) Dieses Tote abzustreifen bedeutet, Gewohnheit abzustreifen (…) Zuerst ist dies ein ganz besonderer Ort, der heilige Bezirk, den wir barfuss betreten. Aber dann kommt der nächste entscheidende Schritt:
Wir erkennen, dass wir auf heiligem Boden stehen, wo immer wir die Schuhe ausziehen. “Rundum in jeder Richtung, soweit Raum reicht, reicht das Heiligtum”.Jeder Ort ist heiliger Boden, denn jeder Ort kann Stätte der Begegnung werden, der Begegnung mit göttlicher Gegenwart.”
(…)
Die Askese der Zeit spricht davon, daß zum Hier, zum heiligen Ort, das Jetzt gehöre, der heilige Augenblick; “kairos” (griechisch: Zeit), die rechte Zeit. (…)
In Wirklichkeit gehe es darum, dass in einem Kloster Dinge nicht getan werden, wenn einem gerade danach zumute ist, sondern wenn es dafür Zeit ist. Nach der Regel des Heiligen Benedikt werde von einem Mönch erwartet, dass er die Feder aus der Hand legt im Augenblick, wo die Glocke läutet, und nicht einmal mehr einen Querstrich aufs t oder ein Pünktchen aufs i setzt. Das ist Askese der Zeit.(…) Die Glocken im Kloster sollen uns daran erinnern, dass es Zeit ist, wenn wir sie läuten hören – “nicht unsere Zeit”. (…) Von alters her geheiligte Orte wollen Pilger nur daran erinnern, dass auch jeder andere Ort heilig ist.(…)
Im Exil sein, verbannt vom heiligen Land, heisst vergessen zu haben, dass wir auf heiligem Boden stehen.(…) Der Name unseres Exils ist nicht Babylon oder Ägypten, sondern Gewöhnung.”
Bischof Kapellari erinnerte vor kurzem in seinem Festvortrag „Verwandlung und Bergung der Dinge in Gefahr“ beim interdisziplinären Peter Handke Symposium „Verwandeln allein durch Erzählen“ an der Universität Wien daran, dass die Frage, was Kunst kann, soll oder darf, leise oder auch deutlicher das künstlerische Schaffen jeder Epoche im Ganzen begleitet. „Bert Brecht, der eminente und dabei zuweilen schwer erträgliche Moralist, hat in einem bekannten, sirenenhaft schönen Fünf-Zeilen-Text moniert, dass Schönheit und Güte verbunden bleiben. Und er hat auch den Verlust an Humanität benannt für den Fall, dass beide auf Dauer auseinanderfallen. Dieser Fünfzeiler aus dem Stück „Der kaukasische Kreidekreis“ lautet:
Wisse, Frau, wer einen Hilferuf nicht hört,
sondern vorbeigeht, verstörten Ohrs; nie mehr
Wird der hören den leisen Ruf der Liebsten, noch
Im Morgengrauen die Amsel oder den wohligen
Seufzer der erschöpften Weinpflücker beim Angelus.“
Diese Beziehungen zwischen Sakrament und Ritual vor dem Hintergrund einer möglichen Definition von Kunst erinnert mich an die Anekdote , wo der Musiktheoretiker Heinz-Klaus Metzger den Komponisten John Cage 1966 nach dem Besuch eines Probenkonzerts vor dem Betreten eines Restaurants auf den Champs-Elysées fragte, worin der Unterschied zwischen gewöhnlichem Türöffnen und dem Türöffnen als künstlerischer Aktion bestehe: dieser soll ihm geantwortet haben: „If you celebrate it, it’s art: if you don’t, it isn’t.“
Heute ist dieser Satz unter anderem an der Eingangstür zur Kapelle der Katholischen Hochschulgemeinde in Graz angebracht und verweist durch diese Neu-Definition der Schwelle an eine verwandelnde Schwellenhandlung, wie sie Rituale und Sakramente kennzeichnen.
Das , was ich Ihnen in dieser kurzen Zeit erzählen kann, ist weniger ein akademischer Vortrag, sondern vielmehr eine Sammlung von Gedanken, die mir zu obigem Thema aufgefallen sind und die ich mit Ihnen teilen möchte: Eine Gedanken-Collage, welche einen Gedankenraum eröffnet, den sie mit mir gemeinsam betreten können.
In dem vergangenen Jahr, wo ich durch den Auftrag zu diesem Vortrag doch aufmerksamer gelebt habe als sonst, wurden mir viele dieser Gedanken wie Schlüssel zu fremden Sälen im eigenen Schloss, wie Kafka es in Bezug auf Bücher schrieb.
Es war vor dreissig Jahren in Graz, wo ich zum ersten Mal vom bergsteigenden Domvikar den (von ihm eigentlich die deutschen Touristen meinenden) nicht nur für die Erschliessung der Bergwelt gemeinten Spruch hörte: “Wir müssen langsamer gehen, denn wir haben es nämlich eilig.” Von Madame de Maintenon, Geliebte und spätere geheime Ehefrau Ludwigs XIV., ist aus einem Brief an ihre Tochter der schöne Satz überliefert: “Ich schreibe dir heute einen langen Brief, da ich für einen kurzen keine Zeit habe.”
Es sollte eines meiner Lebensthemen werden. “Versteh mich bitte nicht zu schnell”, pflegte der damalige Hochschulseelsorger und spätere Bischof von Graz-Seckau Egon Kapellari mich in vielen Gesprächen zu ermahnen und er erwähnte in seinen Fürbitten öfters das “Unsagbare und doch Notwendige”, dessen wir zum Heil und zum Heilen in der Welt bedurften.
Ich denke hier besonders an den diesem Symposium vorangestellten Leitspruch von Martin Georg Reisenberg, der für mich fast wie eine zu einem Gebet gewordenen Bitte klingt : « Nicht nur wir sollten die Haltung, sondern die Haltung könnte auch uns bewahren.» Wobei der Unterschied zwischen einer Bitte und einem Gebet in der grösseren Aufmerksamkeit dem Ganzen der Welt gegenüber besteht.
Ich fuhr letzthin in meiner kleinen Heimatstadt auf einer zweispurigen Strasse einem Zebrastreifen entgegen und sah schon von weitem, dass dort ein ganz alter Mann mit seinem Rollator versuchte, vom Kopfsteinpflaster auf die Strasse zu gelangen. Er wankte und es war wie ein Kampf gegen die Schwerkraft in Zeitlupe . Ich blieb dann in einiger Entfernung vom Zebrastreifen stehen und wachte im Rückspiegel, ob nicht ein anderes Auto auf der Nebenspur mich überholen und den alten Mann übersehen könnte. Mir war ganz seltsam zumute, als ich diesem ungleichen Kampf zusah und ich hatte seltsamerweise sofort das Gefühl , in Gegenwart von etwas Großem und Heiligen zu sein. Es dauerte sehr lange bis der alte Mann die gar nicht so breite Strasse überquert hatte und auf der anderen Seite angekommen schaffte er es fast nicht, seinen Rollator über das Kopfsteinpflaster zu erheben.
Meine Strassenseite war schon lange frei und doch blieb ich stehen und ich hatte das Gefühl, dass nichts anderes als völliger Stillstand auf dieser Straße erlaubt war, solange das Ereignis dieser Gebrechlichkeit anhielt. Ich habe dann daran gedacht, wie ein gute Freundin mir vor kurzem erzählt hatte, dass sie vor vielen Jahren bei der Führerscheinprüfung durchgefallen war, weil sie am Zebrastreifen nicht abgewartet hatte, bis der Fußgänger auf der anderen Strassenseite wieder beide Füße am Gehsteig hatte. Und in diesem Augenblick dachte ich daran, dass das richtig gewesen war…
Zwei Tage später fuhr ich wieder in meiner Heimatstadt in der Nähe der alten Nervenheilanstalt und sah von weitem, wie zwei junge Menschen, ein Mann und eine Frau, vom Benehmen her wie ein Liebespaar, beide offensichtlich mit schweren neuologisch-psychiatrischen Defektsyndromen, sich anmutig tänzelnd hintereinander, völlig abwesend und ganz auf sich und ihre Zweisamkeit bezogen und ohne auf den Verkehr zu achten, sich wie in Zeitlupe dem Zebrastreifen näherten…es kam mir vor wie eine Szene aus einem alten Schwarzweiss-Film. Ich blieb wiederum in weiter Entfernung vor dem Zebrastreifen stehen und hatte das Gefühl, ich müsste für diesen einen Augenblick der Ewigkeit den Motor ausschalten. Mir kamen bei diesem Anblick auf einmal Tränen in die Augen und ich dachte wieder an einen heiligen Raum, der sich durch diese beiden Leben vor mir eröffnet hatte.
Ich dachte auch an den Satz von Christine Lavant : „Kunst wie meine ist nur verstümmeltes Leben, eine Sünde wider den Geist, unverzeihbar. Das Leben ist so heilig, vielleicht wissen Gesunde das nicht. Ich weiß es ganz.“ (Brief an Gerhard Deesen aus dem Jahr 1962 ) Peter Handke sagte in einem ähnlichen Sinnzusammenhang: “Er wollte die Kraft eines Gesunden und die Würde (und Vorsicht) eines Kranken.” (Die Geschichte des Bleistifts, SV, 1985, S. 186)
Etty Hillesum (1914-1943) schreibt am 2. Oktober 1943, kurz vor ihrem Tod Im KZ Auschwitz-Birkenau: „Wenn ich nachts auf meiner Pritsche lag (in Westerbork, Sammellager für Juden vor ihrem Abtransport) mitten zwischen leise schnarchenden, laut träumenden, still vor sich hin weinenden und sich wälzenden Frauen und Mädchen, die tagsüber so oft sagten: ‚Wir wollen nicht denken’, wir wollen nichts fühlen, sonst werden wir verrückt’, dann war ich oft unendlich bewegt, ich lag wach und liess die Ereignisse, die viel zu vielen Eindrücke eines viel zu langen Tages im Geiste an mir vorbeiziehen und dachte: Lass mich dann das denkende Herz dieser Baracke sein.“
In den von seinem Freund Eberhard Bethge unter dem Titel „Widerstand und Ergebung“ veröffentlichten Briefen aus dem Gestapo-Gefängnis schreibt Dietrich Bonhoeffer kurz vor seiner Hinrichtung: (414)
Unser Verhältnis zu Gott ist kein „religiöses“ zu einem denkbar höchsten, mächtigsten, besten Wesen – dies ist keine echte Transzendenz-, sondern unser Verhältnis zu Gott ist ein neues Leben im „Dasein-für-andere“, in der Teilnahme am Sein Jesu. Nicht die unendlichen unerreichbaren Aufgaben, sondern der jeweils gegebene erreichbare Nächste ist das Transzendente. Gott in Menschengestalt!
Dorothee Sölle sagt in einem ihrer Texte: „Was für alle Religionen gilt, dass Transzendenz verwundbar macht, das ist im Christentum auf die Spitze getrieben: Gott macht sich in Christus verwundbar…Darum brauchen eir ein Fenster der Verwundbarkeit, wenn wir in einer inneren Beziehung zu Christus leben wollen.
Peter Handke bekennt in der „Geschichte des Bleistifts“: “Ich bin manchmal ein religiöser Mensch, weil ich das Bedürfnis habe, dankbar zu sein, und nicht weiss, wem.”
In einem 1987 in der Herder Korrespondenz veröffentlichten Interview sagt der aus der DDR geflüchtete Dichter Reiner Kunze, den ich auch in der Grazer Katholischen Hochschulgemeinde kennenlernen durfte:
„Ich achte den Glauben anderer, mir selbst aber ist Gotteserfahrung bis heute nicht zuteil geworden. Sollten sie allerdings darin, dass ich für jedes Erwachen dankbar bin, auch wenn ich nicht weiss, wem, ein religiöses Empfinden erblicken, so habe ich nicht dagegen einzuwenden.
Hierzu sein frühes Gedicht „Pfarrhaus“ aus dem Gedichtband „Zimmerlautstärke“ (1972), in dem er seine Erfahrungen als agnostischer, vom damaligen DDR-Regime gnadenlos verfolgter und in einem Thüringer Pfarrhaus vesrsteckter Schriftsteller zusammenfasst:
PFARRHAUS
Für pfarrer W.
Wer da bedrängt ist findet
mauern, ein
dach und
muss nicht beten
In Geoffrey Giulianos’s Buch “Lennon in America” (2000) zitiert er John Lennon mit den Worten: “’ Imagine there’s no heaven’ ist ein anti-religiöses, anti-nationalistisches, anti-konventionelles, anti-kapitalistisches Lied, aber da es mit Zuckerguß überzogen ist, wird es nicht beanstandet.”
Imagine there’s no heaven
It’s easy if you try
No hell below us
Above us only sky
Imagine all the people
Living for today…
Imagine there’s no countries
It isn’t hard to do
Nothing to kill or die for
And no religion too
Imagine all the people
Living life in peace…
John Lennon (1971)
Wie anders und mir viel näher klingen dieses Sätze, welche Reiner Kunze viele Jahre später zu diesem Thema in seinem Gedichtband “Lindennacht” (2007) schrieb:
DACHFENSTER BEI STERNKLARER NACHT
Nochmals für E.
Wie verloren wir liegen
Doch lieber ungeborgen,
als über uns
ein ebenbild des menschen
Marguerite Yourcenar, die grosse frankophile , als Belgierin geborene Schriftstellerin, Schöpferin der fiktiven Autobiographie von Kaiser Hadrian, starb als Amerikanerin und zeigt schon in ihrer Biographie, dass Grenzüberschreitungen schöpferisch wirksam werden können. Sie fand eines Tages in den Briefen von Flaubert den folgenden Satz, der sie tief prägte :
« Les dieux n’ étant plus, et le Christ n’ étant pas encore, il y a eu, de Cicéron à Marc Aurèle, un moment unique où l’ homme seul a été. »
(« Zwischen Cicero und Marc Aurel , in einer Zeit, als es die Götter nicht mehr und Christus noch nicht gab, war da ein einzigartiger Augenblick, in dem der Mensch als Mensch ganz allein war. »)
Und die Schöpferin der Erinnerungen Hadrians fuhr fort : « Einen grossen Teil meines Lebens sollte ich mit dem Versuch zubringen, diesen einerseits von allem losgelösten und andererseits doch mit allem verbundenen Menschen zu bestimmen und dann zu beschreiben. »
Es geht nicht um religiöse oder nicht religiöse Menschen; es gibt spirituelle Atheisten, Juden, Christen und Moslems, um nur diese vier zu nennen. Gefahr geht aus von den Fundamentalisten aller Gattungen, ob atheistisch, antitheistisch oder religiös,weil diese nicht achtsamen Herzens und Geistes sind und deswegen leider auch nicht spirituell sein können und nicht sein wollen.Die Lüge ist die Luft des Fundamentalismus, um Leszek Kolakowski zu paraphrasieren, und ohne sie stirbt er…
Matthias Drobinsi schreibt in seinem Artikel zu Ostern 2014 in der Süddeutschen Zeitung :
„Es funktionieren im Politischen wie auch häufig im Privaten die Rituale von Reue und Vergebung nicht mehr, von Bekenntnis, Buße und Neuanfang. Sie funktionieren nicht, weil an die Stelle des Sünders, der sich seiner Macht und seines Stolzes entledigt, der Leugner und Verdränger getreten ist. (…)
König Heinrich IV. hatte es da noch einfach. „Barfuß und nüchtern, vom Morgen bis zum Abend“ stand er da vor Canossa, drei Tage lang, ehe am 28. Januar 1077 Papst Gregor VII. den Bann gegen ihn aufhob. Es mag dahingestellt bleiben, ob nun beim König sich echte Reue eingestellt hatte, als er ins kratzende Gewand schlüpfte und im Papst echte Vergebung wuchs, als er den Büßer so elend dort stehen sah – das Ritual war auch ein politischer Kompromiss, detailliert ausgearbeitet von den Unterhändlern beider Seiten. Aber es funktionierte: Es gab den Bußakt, die Reue, das Leben ging weiter.“
Kardinal Carlo Maria Martini beschreibt in seinem Buch “Jerusalemer Nachtgespräche” (2008) auch , wie er in Mailand die Cattedra, den „Lehrstuhl der Ungläubigen“ , eingerichtet hatte, um von ihnen zu hören, was sie zur Rettung der Welt beitragen und den Menschen zu sagen haben. „Ich möchte denkende Menschen. Das ist das Wichtigste. Dann komm erst die Frage, ob sie Gläubige sind oder Nichtgläubige. Wer nachdenkt, wird weitergeführt. Darauf vertraue ich. „
An der philosophischen Fakultät der Universität Koblenz, an der ich im November 2012 zu einem Vortrag im Rahmen eines Symposiums zum Thema “Neuro-Ethik und Menschenbild” eingeladen worden war, las ich an der Tür des Institusvorstandes den schönen Satz:
“Wer nicht denken will, fliegt raus.”
Zum Abschluss lese ich Ihnen noch ein Gedicht der grossen österreichischen Dichterin Christine Lavant vor, welche ihre in der Sprachkraft an Hölderlin und Rilke erinnernden Gedichte trotz oder wegen ihrer schweren psychischen Erkrankung (in den Benelux-Ländern würde sie alle Kriterien des unerträglichen Leidens der Euthanasie-Gesetze erfüllen) sich und den Lesern ins Gedächtnis schrieb; sie bezahlte ihren langjährigen Nervenarzt und Vertrauten übrigens mit Gedichten.
Das war mein Leben, Gott, vergiss das nicht!
Ich werde niemals wieder eines haben –
Du kannst’s verzögern, dass sie mich begraben
Und dass mein Herz an diesem Kummer bricht;
Doch seither bin und bleib ich eine Leiche.
Sag nicht, so viele hätten schon das gleiche
Mit deiner Hilfe herrlich überstanden
Und wären fromm und Heilige geworden.
Mein Leichnam tobt und will sich noch ermorden
Und die dazu, die dich als Trost erfanden,
Dort, wo du niemals wirklich wirksam bist.
An meinen Nerven zehrt ein Wolf und frisst –
Bist das auch du? Und wühlt denn deine Hand
In meinem Häuflein glimmernden Verstands
So grob herum und halt mich überwach,
wenn alle schlafen? – Gott, sag das nicht nach,
Sag keins der lauen Worte deiner Frommen!
Ich will ja nicht in ihren Himmel kommen!
Nur einmal noch – bevor sie mich begraben –
Lass mich im Traum ein Fünklein Liebe haben.
Christine Lavant
Literatur:
Martin Baltscheit, Der Wahlkampf der Tiere, Bajazzo, 2005
Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, Hg. Eberhard Bethke, Gütersloh, 2005
Martin Buber, Die Erzählungen der Chassidim, Manesse, Zürich 1949
Paul Daselaers, Für wen gehst Du?, Worte zum Tage, Katholische Hörfunkarbeit, 10. Juli 2010
Matthias Drobinski, „Made in Germany“, Süddeutsche Zeitung, 21./22.April 2014
Antoine de Saint-Exupéry, Der Kleine Prinz, Karl Rauch, 2000
Wolfgang George, Sterben in stationären Pflegeeinrichtungen, TransMIT-Studie, 2013
Geoffrey Giuliano, Lennon in America, Cooper Square Press, 2000
Peter Handke im Gespräch, Edition Kleine Zeitung, 2012
Peter Handke, Die Geschichte des Bleistifts, Suhrkamp, 1985
Etty Hillesum, Das denkende Herz, rororo, 1985
Franz Kafka, in: Jean Leyder, „Ich lebe, um zu leben, sagt das Leben“, Publications nationales, Luxembourg, 2004
Egon Kapellari, „Verwandlung und Bergung der Dinge in Gefahr“, in: “Verwandeln allein durch Erzählen”: Peter Handke im Spannungsfeld von Theologie und Literaturwissenschaft, (Hg. Tück/Bieringer), Herder 2014
Egon Kapellari, Zeichen wahrnehmen und deuten, Interview, Die Tagespost, 22. Dezember 2012
Reiner Kunze, Zimmerlautstärke, Gedichte, Fischer, 1972,
Reiner Kunze, Lindennacht, Gedichte, Fischer, 2007
Reiner Kunze, in: Jean Leyder, „Ich lebe, um zu leben, sagt das Leben“, Publications nationales, Luxembourg, (2004)
Christine Lavant, Die Bettlerschale, Gedichte, Otto Müller, 1983
Dominique Lossignol, Euthanasie et techniques palliatives en fin de vie, Le Journal du réseau cancer de l’Université Libre de Bruxelles, numéro 8, 200788
Carlo Maria Martini, Jerusalemer Nachtgespräche: Über das Risiko des Glaubens, Herder 2008
Edmund Muhrer, Editorial zur Ausgabe “Rituale”, Denken + Glauben, Zeitschrift der Katholischen Hochschulgemeinde Graz, 113/Juni 2001
Sten Nadolny, Die Entdeckung der Langsamkeit, Piper, 1983
Andrea Roedig, KHG-Wien, Die Seele und ihr Zweck, Der Standard, 22. März 2014
Cicely Saunders, Sterben und Leben: Spiritualität in der Palliative Care, TVZ, 2009
Dorothee Sölle, in: Rainer Bucher, Das Fenster der Verwundbarkeit, Furche Nr 26, 2013
Dorothee Sölle, in: Rudolf Mitlöhner, Das Richtige im Falschen, Die Furche Nr.14, 5. April 2012
Dorothee Sölle, Den Rhythmus des Lebens spüren, Herder, 2006
David Steindl-Rast, Die Achtsamkeit des Herzens, Goldmann, 1988
Paul Tillich, Auf der Grenze, Evangelisches Verlagswerk Stuttgart, 1962
Robert Thill-Heusbourg, Können wir im Himmel noch Fussball spielen?, Titelblatt zum Tode Karl Rahners, Denken + Glauben, Zeitschrift der Katholischen Hochschulgemeinde Graz, 4/1984
Robert Thill-Heusbourg, Friedhöfe nicht nur in unseren Köpfen, Luxemburger Wort, 22. Februar 2008
Robert Thill-Heusbourg, Die Grenze als Ort der Erkenntnis, Luxemburger Wort, 24. November 2008
Erhard Weiher, Das Geheimnis des Lebens berühren, Spiritualität bei Krankheit, Sterben und Tod, Eine Grammatik für Helfende, Kohlhammer, 2011
Marguerite Yourcenar, Mémoires d’ Hadrien, Gallimard, 1977
Marguerite Yourcenar, Ich zähmte die Wölfin, Die Erinnerungen Hadrians, Manesse, 2009
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