Wie man aus Patienten Delinquenten machen kann

von Dr. Robert Thill-Heusbourg*

Am 1. Oktober 2007 trat die neue Strassenverkehrsordnung in Kraft . Neben den Bestimmungen zur Absenkung der Alkohol-Grenzwerte sieht das Gesetz auch Drogen-Screening-Schnelltests vor, welche es den Polizeibeamten ermöglichen sollen, im Falle eines Unfalls oder bei ernsthaften, auf Drogenkonsum schliessen lassende Anzeichen hin einen Drogen-Nachweis vor Ort durchführen und bei Bestätigung ein unmittelbares Fahrverbot aussprechen zu können.Diese Schnelltests können jederzeit auch ohne besonderen Anlass auf Anordnung der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden.

Der Drogen-Schnelltest im Speichel soll in Luxemburg mithilfe eines „Drugwipe“ genannten Geräts durchgeführt werden und weist Amphetamin, Opiate, Cannabinoide und Cocain nach. Miterfasst werden -wie in jedem Schnelltest- unter anderen auch chemisch verwandte und therapeutisch eingesetzte Substanzen wie Methylphenidat (Ritalin®/Concerta®) unter Amphetamin und Codein unter Opiate.

Dies stellt ein sehr ernstes Problem dar, denn somit werden auch Patienten zu Delinquenten gemacht. Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätstörungen, Narkolepsie u.a. sind Krankheiten , welche auch in Luxemburg zum Wohle vieler Patienten auf ärztliche Verordnung hin mit Ritalin oder Concerta erfolgreich behandelt werden und welche es jenen ermöglichen, den Anforderungen des alltäglichen Lebens und des Strassenverkehrs ohne zusätzliche Gefahren gerecht zu werden. Codein ist Bestandteil vieler Hustensäfte und Schmerzmittel, welche täglich von Tausenden Patienten eingenommen werden. Cannabinoide werden derzeit in Luxemburg (noch) nicht regulär therapeutisch eingesetzt; nach einmaligem Konsum bleibt der Test aber anschliessend bis zu drei Wochen positiv, ohne dass sich der Betreffende noch unter dem Einfluss der Droge befindet. Nur für Kokain gibt es in der Medizin keine Therapie-Indikation mehr.

Viele Fragen sind also mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgeworfen worden, deren Beantwortung sicher nicht dem einzelnen Polizeibeamten vor Ort zugemutet werden kann. Es ist völlig unverständlich , wie ein Gesetz über die Reglementierung des Verkehrs auf allen öffentlichen Strassen von den betreffenden Ministerien (Unterzeichner sind die Minister für Transport, Finanzen, Inneres, Justiz und Gesundheit) zur Abstimmung vorgelegt und vom Parlament gestimmt werden kann, wenn wesentliche Fragen, welche in Bezug auf Drogen-und Medikamenten-Nachweisbarkeit nur von Ärzten beantwortet werden können, nicht gestellt und fach-spezifische Einwände nicht angefragt und gehört wurden. Weder Collége médical noch die Direktion der Santé Publique waren im Vorfeld um Begutachtung gebeten worden; einem toxikologischen Gutachten des Staatslaboratoriums wurde keine Beachtung geschenkt.

Es handelt sich also um ein Gesetz, das im Hinblick auf das Drogen-Screening ohne Abänderungen so sicher nicht angewendet werden kann, wobei alle diese Fragen leicht im voraus hätten geklärt werden können.

Eine Möglichkeit bestünde darin, in Analogie zur Patientenakte im Leistungssport, welche von der Agence Luxembourgeoise Antidopage (ALAD) genehmigt werden muss, im Falle einer chronischen Behandlung mit einer der genannten Substanzen dem Patienten einen vom Transportministerium auf Antrag eines fachärztlichen Gutachtens ausgestellten Medikamenten-Pass auszuhändigen, welcher bei Polizei-Kontrollen vorgelegt werden kann. Es versteht sich von selbst, dass jene Verkehrsteilnehmer, welche sich auffällig benehmen und welche den Drogentest verweigern, nicht von diesen Ausnahmeregelungen profitieren können.

Dr. Robert Thill-Heusbourg
Neurologe und Psychotherapeut
Zusatzbezeichnung Sportmedizin
Hôpital Saint Louis, Ettelbruck

Luxemburger Wort, 6. Oktober 2007

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