Zur aktuellen Debatte um Aussagen von Marie-Josée Frank

von Dr. Robert Thill-Heusbourg*

Ich bin erstaunt über die diversen persönlich diffamierenden Stellungnahmen zum Thema nachträgliche Änderungen des Wortlauts der Rede der CSV- Abgeordneten Marie-Josée Frank zum Gesetzesvorschlag über Euthanasie und Beihilfe sur Selbsttötung im offiziellen Protokoll der Parlamentssitzungen.

Marie-Josée Frank berichtete auch laut der uns jetzt vorliegenden mündlichen Originalversion am 19.2.2008 im Parlament nicht über einen Fall von „aktiver Sterbehilfe“, „versteckter Euthanasie“, oder „terminaler Sedierung“, es gab damals und heute keinen Widerspruch zwischen ihren Aussagen und ihren Handlungen, sie nahm es damals und heute mit der Wahrheit und dem Recht genau, es finden sich damals wie heute keine Hinweise auf „Doppelmoral“.

Der Fall, den sie schildert, ist Alltag in unseren Krankenhäusern bei terminal kranken Patienten. Wenn ein Patient an unerträglichen Schmerzen leidet, wird das Schmerzmittel schrittweise und symptom-orientiert erhöht, weil es die erste Aufgabe des Arztes und des den Patienten am besten kennenden Pflegeteams ist, Angst und Schmerzen zu lindern bzw zu beseitigen, auch wenn im Zuge der vorsichtigen Dosisanpassung als Nebenwirkung zentraler Schmerzmittel sehr oft eine Verschlechterung der Atemtätigkeit bewusst in Kauf genommen, aber nie beabsichtigt wird. Der Unterschied liegt wirklich in der Absicht des Handelnden und auch der kompetente Arzt kann im Einzelfall nie genau vorhersehen, welche Nebenwirkung wann auftreten wird, deshalb heisst es ja auch , dass jede Dosissteigerung vorsichtig und „symptom-orientiert“ zu erfolgen hat. Dass die bleibenden Unabwägbarkeiten nichts mit „Inkompetenz“ oder „Unwissen“ des handelnden Arztes zu tun haben, dürfte jedem Menschen mit Offenheit für medizinische Allgemeinbildung inzwischen klar geworden sein.

Dass dies keiner Euthanasiegesinnung, sondern seit dem hippokratischen Eid (in seiner ursprünglichen, und nicht in der belgischen, niederländischen und wohl auch bald luxemburgischen Version) der ethischen Grundhaltung des ganzheitlich handelnden und fürsorgenden Arztes entspricht, ist nicht neu und wurde immer wieder in ethischen Erörterungen zu diesem Thema bestätigt, es entspricht darüber hinaus auch den diesbezüglich klaren Aussagen der christlichen Kirchen.

Es war vielleicht im politischen Sinn nicht klug von Frau Frank, ihre ursprünglichen Aussagen nun in der offiziellen Fassung der Parlamentsmitschrift „verdeutlichen“ zu wollen. Ich sehe aber auch keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen der mündlichen Originalversion und der jetzt vorliegenden schriftlichen „Nachbesserung“. Ihre Absicht war also rein und von aufrichtiger Sorge um mögliche Missverständnisse getragen.

Die Absicht der Artikelschreiber und Kommentatoren kommt mir weniger rein vor und mich stört hier vor allem die Nähe zum Tatbestand eines bewussten Missverstehens und eines bewussten Verleumdens um den fraglichen Gewinn partei-politischen Kleingelds.

Die Geschichte dieser Stellungnahmen erinnert mich an ein Interview mit dem Dirigenten Daniel Barenboim  zum Nahost-Drama Anfang des Jahres . „Es ist kein politischer Konflikt“, sagte er, « Es ist ein menschlicher Konflikt. » Und der ihn interviewende stellvertretende Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung „Die Furche“, Rudolf Mitlöhner, ergänzte: „Das indes dürfte nicht nur fur den nahen Osten gelten. Jeder Konflikt, jede Konfrontation, jede Krise ist « menschlich », lässt sich auf die menschliche Dimension herunterbrechen, auf eine Verwirrung, Vernebelung, Desorientierung der Hirne und Herzen. Die Aufgabe der Politik wäre dann eine genuin aufklärerische, sie hätte Klarheit, Transparenz und Richtungsweisung entgegenzusetzen, historisch-religiöse Aufladungen zu relativieren, Überhitzungen auf ein zivilisatorisch erträgliches Mass herunterzukühlen.. Nur allzuoft freilich tut sie genau das Gegenteil, wird zum Trittbrettfahrer von Stimmungen und Befindlichkeiten, schürt vorhandene Ressentiments, von denen sie sich Rückenwind verspricht. »

Ich bin erstaunt, dass es nach einem vollen Jahr der verdichteten Informationsaufbereitung zum Thema Euthanasie und Palliativmedizin Journalisten und Politikern noch immer nicht klar ist, dass Emotionen, Polemik und Vorurteile keine Analyse ersetzen. Ich bin erstaunt, wie selbstbewusst exponierte Vertreter unseres öffentlichen Lebens mit ihren Stellungnahmen auch jetzt wieder alle Regeln verletzen, welche man für ein gut funktionierendes Sozialwesen braucht: zuhören, differenzieren, eher das Gute als das Schlechte in den Absichten des anderen annehmen, Information anstelle von Desinformation und Manipulation, Pflicht zur Selbstbildung anstelle von Stolz auf Unwissen, Offenheit anstelle von Vorurteilen und viele andere mehr.

Diese Artikelschreiber, Kommentatoren und die hierbei zitierten Politiker liefern mit ihren unsachlichen Angriffen auf Frau Frank ein ideales Anschauungsbeispiel für die handwerklichen Defizite und theoretischen Mängel dieser sich selbst als kritisch verstehenden Textproduktion.

Ich habe ihn darum gebeten, zuzuhören,“ umriss Präsident Obama den Auftrag seines Nahost-Sondergesandten. L’écoute est hospitalité intérieure.

*Neurologe und Psychotherapeut

Hôpital Saint Louis

Ettelbruck

Luxemburger Wort, 25. März 2009

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